Weihnachtsbegegnungen der Dritten Art

Der PhotoClub

Die Weisen aus dem Abendland

Der PhotoClub

Modell Nummer 3

Erkenntnis Nummer zwei: So ein Penner konnte ganz schön unangenehm werden. Hatten sie eigentlich sogar erwartet, nicht aber gleich mit dieser Heftigkeit. Und was hatten sie eigentlich verkehrt gemacht? Sie hatten gefragt, hatten dem Mann Geld gegeben. Wieso hatte der sich dann so aufgeregt?

Erkenntnis Nummer Drei brachte sie einem Verständnis näher. Penner konnten nämlich reden. Ein Mann rief sie an, der in einer Art ganz einfachem Stuhl unten mit kleinen Rollen saß.

Total vergammeltes Teil, wie der Mann selbst im Übrigen auch. Peinlich mutete an, dass der Mann ihre Aktionen alle genau mitverfolgt zu haben schien.  »Kommt mal her«, rief seine Stimme. Durchaus mit einer Autorität, der sie zu gehorchen gewohnt waren. Schon etwas schuldbewusst baute der PhotoClub sich vor dem Mann in seinem Stuhl auf.

Ein Toilettenstuhl, wie Marcel jetzt vermutete, ohne das jetzt aber den anderen gleich sagen zu können. »Wieviel habt ihr gegeben?« Der Mann wollte es gleich genau wissen. »4« sagte Murat, »2«, Natalie. Der Mann musterte sie und den Vieren wurde immer unwohler. Der PhotoClub hatte Photos aufnehmen wollen und jetzt wurden sie selbst aufgenommen – irgendwie.

»Wissen eure Eltern, was ihr macht?«, fragte der Mann. Murat lagen solche Situationen noch am ehesten. Erst setzte er sein ganz besonderes Lächeln auf, dann kam so ruhig wie möglich zurück: »Was sollen unsere Eltern denn wissen?« Der Mann lachte auf. »Eure Kameras?« »Klar.« »Ihr müsst vorher aber fragen, dürft nicht einfach Photos machen.« »Wir haben gefragt«, entschuldigte Natalie. »Haah«, der Mann lachte auf und blickte auf seinen »Kollegen«, keine dreißig Meter weiter links, wo sie gerade hergekommen waren.  Der Mann musterte sie, mit einem Gesicht, das sagte: das war wohl nichts.

Überhaupt konnte der Mann mit Blicken sehr viel mehr sagen als mit Worten. Das brachte jetzt grade die scheue Natalie auf einen Gedanken. Ganz höflich: »Bitte entschuldigen Sie, aber dürfen wir denn vielleicht von Ihnen eine Photographie machen?« Der Mann lachte wieder auf, zeigte diese undurchsichtige Mimik. »Nur du«, stieß er hervor. Die anderen sahen sich etwas betreten an. Natalie griff nach Marcels D 800. Weil ein lichtstarkes 85´er drauf war. Der Mann wollte gefragt werden, das hatte Natalie begriffen. »Wie darf ich Sie denn aufnehmen?« »Wie du willst.« Als würde nichts geschehen, wandte ihr Model sich weiter Marcel, Murat und Tatina zu.

»Was macht ihr mit den Photos?« »Das wissen wir noch nicht«, erklärte Murat. »Das wissen wir vorher eigentlich nie«, kam Marcel seinem Freund zu Hilfe. »Macht ihr das immer zusammen?« »Klar, wir sind der PhotoClub.« Da begann der Mann wieder zu lachen. In einer Art zu lachen, die ihnen unheimlich schien, aber er schien wirklich zu lachen. »Na gut, dann dürft ihr jetzt auch.« Die nächsten Minuten war der Mann, der sich jetzt ganz geduldig verhielt, zielgebendes Motiv verschiedenster Einstellungen. Das Riesenschaufenster gab einen perfekten Hintergrund ab. Dann spielte auch noch das schräg einfallende Sonnenlicht mit, verlieh dem – kranken – Gesicht des Mannes ganz besondere Akzente.

Höflich verabschiedeten sie sich. Jeder tat 2 Euro in den Plastik-Becher des Mannes. Der sagte einfach: »Danke.« Und tat so, als gäbe es die Vier für ihn gar nicht mehr. Den Vieren war nicht klar, dass sie bereits Photostoff asserviert hatten, der Einmaligkeitscharakter aufwies.